Das Amt Süderbrarup in Schleswig-Holstein nutzt Open-Source-Software, um Bürgern und Bürgerinnen einfache Teilhabe und Zugang zu Veranstaltungsinformationen ermöglichen.
Im Amt Süderbrarup wird ein Projekt vorangetrieben, das Open-Source-Technologie nutzt, also Software, deren Quellcode öffentlich zugänglich ist und von anderen genutzt, angepasst und weiterentwickelt werden kann: Der smarte Gemeinschaftskalender. Ziel ist es, sowohl technologische Neuerungen als auch den sozialen Zusammenhalt zu stärken.
Das Vorhaben zeigt, wie Open-Source-Technologien in der öffentlichen Verwaltung eingesetzt werden können, um digitale Lösungen zu schaffen, die den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht werden. Darüber hinaus geht das Projekt noch einen Schritt weiter, indem es auf eine offene und kollaborative Entwicklung setzt, die andere interessierte Kommunen und Organisationen mit einschließt.
Die Verwaltung im Amt Süderbrarup stand vor der Herausforderung, eine benutzerfreundliche und barrierefreie digitale Lösung für die Bündelung von Veranstaltungen in der Gemeinde zu finden. Der bestehende Kalender war weder intuitiv zu bedienen noch in der Lage, alle Veranstaltungen effizient zu verwalten. Besonders für kleine Vereine, die regelmäßig Termine eintragen wollten, war der administrative Aufwand hoch. Die Lösung musste daher sowohl die Nutzung für die Bürger und Bürgerinnen vereinfachen als auch den organisatorischen Aufwand für die Veranstaltenden verringern.
Bisherige Kalenderlösungen waren dabei oft auch nur auf bestimmte Themen oder Zielgruppen beschränkt, wodurch Veranstaltungen aus benachbarten Gemeinden nicht berücksichtigt wurden. Diese Informationen blieben in den jeweiligen Kalendersystemen und wurden nicht geteilt, obwohl sie gerade in ländlichen Regionen für die Bürgerund Bürgerinnen durchaus von Interesse sein könnten.
Das Smart City Amt Süderbrarup wollte grundsätzlich die bestehende Lösung mit einer smarten Alternative ablösen und hat dafür gemeinsam mit der 54 Grad Software GmbH nach Ansätzen gesucht.
Die neue Lösung sollte einerseits den Verwaltungsaufwand für das Amt reduzieren, das Erstellen von Terminen für Veranstaltende durch Automatisierungen so erleichtern, dass eine kontinuierliche Terminpflege langfristig attraktiv bleibt und somit möglichst vollständig Veranstaltungen der Region eingepflegt werden.
Zentral war zudem, dass allen Bürgern und Bürgerinnen Teilhabe und Zugang zu Veranstaltungsinformationen ermöglicht wird.
Bei der Suche nach einer geeigneten Lösung fiel die Wahl auf die Weiterentwicklung einer bestehenden Open-Source-Software, und zwar von Mobilizon. Das ist eine Open-Source-Plattform für die Organisation von Veranstaltungen. Als solche bot sie die beste Basis, um die Anforderungen der Kommune umzusetzen und gleichzeitig eine Lösung mit Strahlkraft für andere Smart-City-Projekte zu schaffen.
Zudem ist Mobilizon praxisbewährt durch den Einsatz in vielen anderen Umfeldern und konnte sich dabei bereits unter reellen Nutzungsbedingungen beweisen. Indem auf diese Software aufgebaut wurde, konnte auf eine bereits festgelegte Struktur der Daten zurückgegriffen werden.
Eine Struktur kann nicht willkürlich sein, denn unser Ziel war die Entwicklung einer Lösung, die darauf ausgelegt ist, sich mit verschiedensten Anwendungen auszutauschen (Föderation). Mobilizon bietet eine standardisierte Struktur, die das möglich macht und flexible Schnittstellen bietet, sodass eine Vernetzung im Fediverse und beispielsweise WordPress-Plugins möglich werden.
Doch der Clou lag in der Herangehensweise: Das Amt Süderbrarup setzte nicht auf eine Standardlösung – vorgefertigte Software ohne Anpassungen –, sondern entschied sich dafür, die Software auf die spezifischen Bedürfnisse der Region anzupassen.
© 2025, Anna-Sophie Rönsch
Die Anpassung von Mobilizon für den Gemeinschaftskalender stellte sich jedoch komplexer als ursprünglich angenommen heraus. So wurde Mobilizon ursprünglich nicht für kleine ländliche Gemeinden entwickelt, daher mussten wir viele Dinge anpassen. Während das Team daran arbeitete, kam zudem eine neue Software-Version heraus, was die Anpassungen noch aufwendiger machte. Da die Entwickler mit ihrer eigenen Technik arbeiten, mussten sie sich zunächst in den bestehenden Programmcode und die Struktur von Mobilizon einarbeiten, bevor dieser sinnvoll erweitert werden konnte. Das ist bei Open-Source-Projekten normal, aber oft komplex.
Erschwert wurde es dadurch, dass Mobilizon im Laufe der Zeit von verschiedenen Entwicklern betreut wurde und daher keine einheitliche Struktur hatte. Außerdem hat das Team als Erstes die Schnittstellen in diesem Umfang genutzt, ohne dass es dazu Vorlagen oder Dokumentationen gab.
Wer Open-Source-Software nutzt, kann langfristig von der Gemeinschaft und wiederverwendbarem Code profitieren – muss am Anfang aber Zeit für Einarbeitung und Anpassung einplanen. Der smarte Gemeinschaftskalender kann nun selbst als gutes Beispiel und Referenz für andere Projekte dienen.
Diese Herausforderungen gaben dem Team jedoch auch übergreifend die Möglichkeit, das Know-how zu erweitern und eine robuste Software zu entwickeln, die nachhaltig nutzbar bleibt. Davon unberührt war der Entwicklungsprozess insgesamt effizienter als bei einer vollständigen Neuentwicklung.
Von Vorteil war generell auch die bestehende Open-Source-Strategie des Landes Schleswig-Holstein, da bereits eine aktive Community – eine Gruppe von Entwicklenden, Nutzenden und Interessierten – im Land besteht. So wurde beispielsweise auf Komponenten von Kern UX zurückgegriffen – dem neuen Design-Standard für deutsche Verwaltung, der von Schleswig-Holstein und Hamburg angeschoben wurde und der bereits Anforderungen an die Barrierefreiheit mitbringt.
Zudem konnte das Projekt auf diesem Weg über das Landesprogramm für Offene Innovation gefördert werden, das Kommunen bei der Entwicklung und Weiterentwicklung von Open-Source-Lösungen unterstützt. Dabei werden im Rahmen des Programms konkrete Bedürfnisse der Akteure vor Ort berücksichtigt, ohne zu enge Vorgaben für die Lösung zu machen, was offene Innovationen – gemeint sind Open-Source-Innovationen – fördert.
„Das Spannende an diesem Projekt war, dass bei der Ausschreibung nicht ein vollständig vordefiniertes Konzept und Lastenheft zu Beginn definiert wurde. Die primäre Vorgabe war, dass die Lösung auf Open-Source-Software basieren sollte“, erklärt Samuel Brinkmann von der 54 Grad Software GmbH, die die technische Umsetzung übernahm. „Dies gab uns die Freiheit, die Lösung so zu gestalten, wie sie wirklich gebraucht wird“, fügt er hinzu.
Besonders bemerkenswert ist die Interoperabilität des Kalenders. Das System ermöglicht es, Kalender aus verschiedenen Quellen, wie etwa den internen Kalender-Systemen der Freiwilligen Feuerwehr, automatisch zu importieren. So können Vereine und Institutionen ihre Veranstaltungen zentral eintragen, ohne jeden Termin manuell an mehreren Stellen pflegen zu müssen.
Ein zentraler Vorteil von Open Source ist die Möglichkeit, den Quellcode öffentlich zugänglich zu machen. Nach Fertigstellung wird die Software auf der bundesweiten Plattform Open Code veröffentlicht, um anderen interessierten Kommunen Anknüpfungspunkte zu bieten. Da das Projekt jedoch auch über die Verwaltung hinaus von Bedeutung sein dürfte, entschied man sich zusätzlich, die Lösung auch auf GitHub – die geläufigste und größte webbasierte Kollaborationsplattform für Softwareentwicklende – zu veröffentlichen, um eine größere Community zu erreichen.
Die Entscheidung, den Code nicht nur intern zu nutzen, sondern aktiv zur Open-Source-Community beizutragen, verfolgt dabei einen klaren Zweck: Die Weiterentwicklung der Software soll nicht in einem isolierten Rahmen stattfinden, sondern der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Diese Offenheit fördert Innovationen und ermöglicht es anderen Verwaltungen, die Software anzupassen und weiterzuentwickeln.
Mit diesem Gedanken wurde ein ausführliches Handbuch erstellt, das die Funktionen für Nutzende, Veranstaltende und Gemeinden, die die Lösung betreiben, erklärt. Zudem enthält das Handbuch einen Dokumentationsbereich für Entwickler und Entwicklerinnen, der eine Anleitung zum Hosting, zu Repositories und den verwendeten Technologien bietet. Auf der Handbuch-Landingpage laden wir außerdem dazu ein, sich aktiv an der Weiterentwicklung der Lösung zu beteiligen.
„Es war uns wichtig, dass auch zukünftige Anpassungen oder Erweiterungen der Software der Öffentlichkeit zugutekommen“, sagt Nicole Döpp, Projektleiterin im Amt Süderbrarup. „Mit Open Source bleiben wir flexibel und haben gleichzeitig die Möglichkeit, die Software nachhaltig weiterzuentwickeln.“
© 2025, Anna-Sophie Rönsch
Ein weiteres bedeutendes Thema war die Wahl der richtigen Lizenz für die Software. Zunächst war eine MIT-Lizenz in Betracht gezogen worden, die es anderen Interessierten ermöglicht, die Software frei zu benutzen, zu verändern oder weiterzugeben, solange der Autor genannt wird und ohne dass der Autor dadurch eine Haftung übernehmen müsste. Dies hätte eine große Freiheit bedeutet, kann aber auch Nachteile mit sich bringen. Da die technische Basis (Mobilizon) bereits unter der AGPLv3-Lizenz stand, entschied man sich, auch für den Gemeinschaftskalender diese Lizenz zu wählen. Dies war wichtig, da der Mehrwert der Lösung aus dem Komplettpaket besteht und man den Bedingungen folgend sonst die Erweiterung nicht gemeinsam mit der Gesamtlösung hätte weiterverbreiten dürfen.
Außerdem wäre bei der MIT-Lizenz von Nachteil, dass Weiterentwicklungen nicht zwingend wieder offengelegt werden müssen. Unternehmen könnten also die Software nehmen, anpassen und hinter verschlossenen Türen weiter nutzen und vertreiben, ohne etwas an die Community zurückzugeben, was ein Verlust für den Charakter des Projektes wäre. Beim Landesprogramm Offene Innovation geht es darum, öffentliche Infrastruktur zu schaffen und zur Verfügung zu stellen, sodass von den Entwicklungen möglichst viele Verwaltungsbereiche und Vereine profitieren können.
„Mit der AGPLv3 stellen wir sicher, dass nicht nur der Quellcode der Software, sondern auch Änderungen und Erweiterungen öffentlich gemacht werden müssen, wenn die Software über ein Netzwerk (zum Besipiel Internet) zugänglich ist“, erklärt Brinkmann. „Das schützt die Offenheit und sorgt dafür, dass das Projekt auch langfristig in der Open-Source-Community verankert bleibt.”
Ein zentrales Anliegen des Projekts war es, den Kalender für alle zugänglich zu machen, unabhängig von der digitalen Kompetenz der Nutzenden. Der smarte Gemeinschaftskalender bietet daher die Möglichkeit, Informationen über verschiedene Kanäle zu empfangen: per E-Mail, SMS, WhatsApp oder sogar Brief. Diese Vielseitigkeit stellt sicher, dass auch Menschen ohne regelmäßigen Internetzugang oder technisches Wissen an den Veranstaltungen teilnehmen können.
Er wurde auch bewusst als webbasierter Onlineservice umgesetzt und nicht als App zum Download. Dadurch ist er direkt über den Browser erreichbar und benötigt keine zusätzliche Installation.
Durch die Benachrichtigungsmöglichkeiten – bspw. per E-Mail – wird der Kalender zu dem zu einer proaktiven Lösung. Bürger und Bürgerinnen müssen nicht selbst daran denken, nach Terminen zu recherchieren, die sie interessieren können, sondern sie werden automatisiert informiert.
Zusätzlich wird ein Werbemittel-Generator eingebaut, der es kleinen Vereinen und Organisationen ermöglicht, schnell und unkompliziert ansprechende Ankündigungen zu erstellen, was vor allem für ehrenamtliche Organisationen von großem Nutzen ist.
Der smarte Gemeinschaftskalender aus dem Amt Süderbrarup zeigt, wie Digitalisierung im öffentlichen Sektor erfolgreich umgesetzt werden kann. Mithilfe von Open-Source-Software wurde ein flexibles, kosteneffizientes und transparentes System entwickelt, das den Bedürfnissen der Gemeinde gerecht wird. Gleichzeitig ist es als Teil der bestehenden Mobilizon-Community und der Verwaltungs-Community auf Open Code für die breite Öffentlichkeit zugänglich.
Mittlerweile hat das Team begonnen, die Lösung auch anderen Kommunen anzubieten und die Nutzung vor Ort aktiv durch Events und Marketing zu fördern.
„Open Source bedeutet hier nicht nur technische Unabhängigkeit, sondern auch die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen zu wachsen und Lösungen zu schaffen, die allen zugutekommen“, betont Nicole Döpp. „Das Projekt zeigt, dass auch kleine Kommunen mit der richtigen Vision und den passenden Partnern große digitale Schritte machen können.“
© 2025, Anna-Sophie Rönsch
Das Amt Süderbrarup beweist damit, dass Open-Source-Software ein effektiver Weg ist, digitale Souveränität zu fördern und gleichzeitig die Zusammenarbeit und den Austausch vor Ort zu stärken.
Die Website mit Informationen und Handbuch zum smarten Gemeinschaftskalender
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